Flaggenstaaten – Das Geschäftsmodell
Jedes Schiff muss in einem Staat angemeldet sein und dessen Flagge führen – auf dem Schiff gilt das Recht dieses Landes. In der globalen Schifffahrt ist es üblich, dass die meisten Schiffe nicht unter der Flagge eines Landes fahren, in welchem ihre Reederei sitzt oder welches sie regelmäßig anlaufen, sondern dass sie ihr Schiff dort anmelden, wo es die besten Konditionen, d.h. die geringsten Steuern und gesetzliche Regulierungen gibt. Da die Staaten Geld einnehmen wollen, gibt es zwischen den Staaten einen Wettbewerb darum, die Gesetze möglichst günstig für die (Kreuz-)Schiffahrtsunternehmen zu machen, damit diese ihre Schiffe dort anmelden. So gibt es oft Sonderregeln, dass Steuern nur nach Tonnage gezahlt werden müssen und keinerlei Lohnsteuer für die Beschäftigten auf den Schiffen anfällt. In Italien gibt es bei Umwelt- und Arbeitsgesetzen Sonderregeln für Kreuzfahrtschiffe. Das führt dazu, dass auch die meisten Kreuzfahrtschiffe unter den Flaggen von Liberia, Panama, Italien oder Malta fahren. So zahlte TUI Cruises bei einem Umsatz mit der Kreuzfahrtschifffahrt von 435 Millionen Euro in Deutschland nur 44.000 Euro Steuern, also etwa 0,01%.
Diese Ausflaggungen führen auch dazu, dass es kaum eine arbeitsrechtliche Kontrolle gibt, Arbeitszeiten von mehr als 10 Stunden täglich bei einer 7-Tage-Woche an Bord eher die Regel als die Ausnahme sind. Aber auch dazu, dass wegen Sondergenehmigungen nur für 75% der an Bord befindlichen Personen Plätze in Rettungsbooten reserviert werden müssen und schon beim Bau der Kreuzfahrtschiffe geringere Sicherheitsbestimmungen eingehalten werden.
Geld für die lokale Bevölkerung?
Die Tourismuskonzerne versprechen, dass die lokale Bevölkerung vom Tourismus profitiert. Die Universität Bergen (Norwegen) hat in einer Studie festgestellt, dass bei keiner Art des Tourismus so wenig Geld vor Ort bleibt wie bei Kreuzfahrten: 20-40% der Passagiere verlassen das Schiff nicht, der Rest gibt im Durchschnitt weniger als 30 Euro an Land aus. Camping-Urlauber*innen geben etwa doppelt so viel aus, auf fast 100 Euro kommen Menschen, welche in den Städten übernachten. Auch eine Studie aus Venedig kommt dazu, dass die negativen Aspekte der Kreuzfahrtschifffahrt nicht durch die positiven aufzuwiegen sei. Bei näherer Betrachtung ist das logisch: Die Passagiere übernachten an Bord, sie bekommen all-inclusive-Essen an Bord, sie shoppen an Bord, sie buchen organisierte Touren an Bord – was bleibt da noch für die lokale Bevölkerung?
Auf den kanarischen Inseln zeigt sich die Entwicklung zu mehr Profiten für die Kreuzfahrtindustrie. Ein Taxifahrer berichtet dort, dass früher die Tourist*innen von den Kreuzfahrtschiffen Ausflüge mit dem Taxi gemacht hätten, heute ist der Hafen Sperrzone für die Taxi-Fahrer*innen. Die Kreuzfahrtunternehmen wollen keine Konkurenz, sodass die Passagiere die organisierten Bustouren für etwa 90 Euro buchen würden – fast dreimal so teuer wie es mit einem vollbesetztem Taxi wäre. (Quelle: „Die Kanaren – Inseln der Arbeitslosen“ vom WDR)
Es geht sogar noch weiter: In der Karabik kaufen oder pachten sich Kreuzfahrtunternehmen ganze Inseln oder Privatstrände und bauen eigene Dörfer auf, die natürlich nur bewirtschaftet werden, wenn gerade ein Kreuzfahrtschiff anlegt – und nur dann gibt es Arbeit für die dort Lebenden – unter den Bedingungen des Konzerns. (Quelle: „Der Kreufahrtkomplex“, Buch von Wolfgang Gregor, Kapitel 4)
Umweltschäden für die lokale Bevölkerung!
Auf den Umweltschäden bleiben die Anwohnenden sitzen, sei es bei der Zerstörung von Korallenriffen beim Bau neuer Anleger an Privatinseln oder bei der Beschädigung der Stadtfundamente von Venedig (das auf Pfählen gebaut ist, die durch den Sog- und Wellenschlag der großen Schiffe besonders mitgenommen werden).
Bei allen Städten gleich ist die Belastung durch die Abgase. Die umweltschädlichen Feinstaub, Ruß- und Schwefelpartikel sorgen für Schadstoffwerte die in Venedig (einer Stadt ohne Autos) ähnlich hoch ist wie an einer Hauptverkehrsstraße einer europäischen Großsstadt. (Quelle: „Venedig – Ausverkauf eines Juwels“ vom SWR) In den norwegischen Fjords sammeln sich die Schadstoffe, sodass die in der besichtigen Natur Smog-Alarm herrscht. Auch in deutschen Hafenstädten wie Kiel oder Hamburg ist die Feinstaubbelastung groß und erhöht das Krebsrisiko.
Das alles ist nur eine neue Form von Kolonialismus, diesmal geht es nicht nur um die Ausbeutung von Bodenschätzen, sondern um die Ausbeutung von landschaftlicher Schönheit, auch um den Preis der Zerstörung derselben.